Unterhaltspflicht für Minderjährige - Berlin bleibt auf 80 Millionen Euro Unterhaltsvorschuss sitzen
Mi 04.09.24 | 11:27 Uhr
16Kommt ein Elternteil seinen Zahlungsverpflichtungen für minderjährige Kinder nicht nach, zahlt der Staat zunächst Unterhaltsvorschuss. Das Problem: Nur ein Bruchteil der Vorschüsse wird eingetrieben. Die Gründe sind dabei vielfältig.
- Bei Alleinerziehenden springt die Unterhaltsvorschusskasse ein, wenn der andere Elternteil für das Kind nicht ausreichend sorgt oder sorgen kann.
- Dieses Geld soll später wieder eingetrieben werden
- In Berlin werden jedoch weniger als 20 Prozent der Zahlungen zurückgeholt
- 2023 lag die Differenz bei 80 Mio. Euro
- Jugendämter sind überlastet, eine Durchsetzung der Ansprüche kaum möglich
Das Land Berlin holt sich nur einen Bruchteil des Unterhaltsvorschusses von säumigen Vätern zurück. 2023 konnte Berlin lediglich 15,8 Prozent der gezahlten Vorschüsse von unterhaltspflichtigen Elternteilen - meist Väter - eintreiben. Das geht aus Zahlen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie am Mittwoch hervor, die dem rbb vorliegen.
Insgesamt musste Berlin im vergangenen Jahr rund 95,57 Millionen Euro für den Unterhaltsvorschuss aufbringen. Dagegen stehen lediglich Einnahmen in Höhe 15,07 Millionen Euro. Dieses Geld konnte das Land im Jahresverlauf noch von zahlungspflichtigen Elternteilen einziehen. Somit bleibt für den Steuerzahler eine Differenz von rund 80 Millionen Euro.
dpa/Ute Grabowsky
Zahlen für 2023 - Weniger Berliner Kinder auf Unterhaltsvorschuss angewiesen
Etwa 48.000 Kinder mit Anspruch auf Leistungen
Der Staat zahlt immer dann Unterhaltsvorschuss für minderjährige Kinder von Alleinerziehenden, wenn ein Elternteil seinen gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Unterhaltspflichtig ist in diesem Zusammenhang derjenige Elternteil, der weniger als 40 Prozent der Betreuung des Kindes übernimmt.
In Berlin erhielten zum Stichtag 31.12.2023 genau 48.189 Kinder und Jugendliche Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Laut Zahlen des Landesamts für Statistik sind 27,5 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern in Berlin alleinerziehend.
Rückholquote seit Jahren unter 20 Prozent
Seit Jahren bewegt sich die Rückholquote bei den Vorschusszahlungen in Berlin lediglich zwischen 11 und 16,5 Prozent. Im Bundesländervergleich liegt Berlin beim Eintreiben der Zahlungen von säumigen Eltern im Mittelfeld.
Die Gründe, warum so wenig Zahlungspflichtige zur Verantwortung gezogen werden, sind vielfältig. Neben Fällen, in denen Eltern aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht zahlen können, gibt es immer wieder Kritik daran, dass gerade Väter sich trickreich ihren Pflichten entziehen und die Ämter dem nicht mit genügend Nachdruck nachgehen.
- 1min
dpa/Uwe Anspach
Ab September - Berliner Pflegefamilien bekommen deutlich mehr Geld
Jedes Jahr nehmen Berliner Behörden Tausende Kinder und Jugendliche in Obhut. Meist, weil sie in ihren Familien misshandelt werden. Viele kommen in Heime, denn es gibt zu wenige Pflegefamilien. Das will der Senat nun ändern. Von Thorsten Gabriel
Überlastete Jugendämter
Die Bildungsverwaltung räumte auf Anfrage des rbb ein, dass die erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen "maßgeblich von der zeitnahen Verfolgung des Anspruchs gegenüber den Unterhaltspflichtigen" durch die Jugendämter abhänge. Diese gelten nicht nur in Berlin als chronisch überlastet.
Weigern sich Eltern konsequent, ihre Einkommensverhältnisse offenzulegen und mit dem Jugendamt zu kooperieren, kann dieses die Daten vom Arbeitgeber, von Versicherungen und den Steuerbehörden zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen anfordern. Als letzte Möglichkeit bleibt den staatlichen Stellen, offene Forderungen gerichtlich vollstrecken zu lassen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.09.2024, 12 Uhr
Kommentar
Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.
Kommentieren
16. Antwort auf [Eve] vom 04.09.2024 um 12:39
Und Ihnen ist klar, dass sich die Zahlungspflichtigen stärker zur Rückzahlung verpflichtet fühlen würden, wenn die Alternative zu "mir doch egal, von wem mein Gör ernährt wird" ein mehrmonatiger Abschied vom gewohnten Leben unter eventuellem Verlust von Arbeitsplatz, Beziehungen, sozialem Umfeld und Ansehen ist?
Antworten
15. Antwort auf [Eve] vom 04.09.2024 um 12:39
Dem Knast kann man sich ja leicht entziehen, indem man wieder seinen Unterhaltspflichten nachkommt. Muss jeder dann für sich selbst entscheiden, was ihm lieber ist.
Antworten
14. Bei den Beiträgen zur Berliner Ärztekammer müssen Ärzte die vorangegangenen Einkommenssteuerbescheid vorlegen. Danach wird der Beitrag ermittelt.
Bleibt man den Bescheid säumig , wird das Einkommen geschätzt. Man man das seeeehr großzügig, ist Arzt motiviert die Unterlagen zu liefern.Antworten
13. Antwort auf [Alleinverziehende] vom 04.09.2024 um 12:57
Das kommt darauf an ob das Kind Von beiden Seiten gewollt ist. Denn es gibt auch Damen die es trotz voriger Abmachung nicht passen können die Pille zu vergessen.
In solcher Fällen ist es für einen Erzeuger schwer nachzuweisen das ihn keine Schuld trifft und die Versorgung allein bei der Mutter liegen muss. Da kommt man leider um Verträge nicht herum.
Antworten
12. Ohne gleich als Rechter beschimpft zu werden, würde mich trotzdem die Frage interessieren,
wie sich die offenen Forderungen verteilen
A auf EU-Bürger
B Bürger mit Geburtsort Deutschland
C Bürger aus nicht EU-Ländern egal welchen Status?
Und wie verteilen sich die Forderungen auf die einzelnen Bezirke?Antworten
11. Also im Grunde muss doch geschaut werden weshalb der Partner oder die Partnerin sich nicht um den Unterhalt kümmern. Es gibt auch Fälle in denen eine Partnerschaft nicht writer verstehen kann. Dies zum Wohl des oder der Erziehenden. Da wäre eine Unterhaltszahlung mit Umgangsrecht genau das falsche. Daher ist diesel Vorschussmentallität auch völlig unzeitgemäß. Soziale Sicherheit für Kinder und junge Erziehenden muss der Staatlich eben listen.
Antworten
10. Antwort auf [Marv] vom 04.09.2024 um 11:36
Das gab es in der Bundesrepublik Deutschland vor 1970 auch. Einige "Nichtzahler" haben sich damals in die DDR abgesetzt und wurden nach 1975 für viel Geld wieder zurückgekauft.
Antworten
9. Das Unterhaltsrecht müsste dahingehend reformiert werden, die Ämter gestärkt werden. Es kann nicht sein, dass es in diesem Staate so einfach ist, sich seiner Verpflichtungen zu entziehen. Ist aber leider nicht nur im Unterhaltsrecht so. Es kann zudem nicht sein, dass der unterhaltspflichtige Elternteil einen Selbstbehalt hat, wovon der Erziehende Teil nur träumen kann. Hier müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse mehr abgewogen werden. IdR hat der Erziehende Teil höhere Kosten für Kind und Unterbringung als der Unterhalt her gibt.
Antworten
8. Antwort auf [Marv] vom 04.09.2024 um 11:36
Ihnen ist klar, dass der Knast den Staat mehr kostet als die Unterhaltsvorschüsse einbringen würden?
Antworten
7. Das leert uns wieder, wer schlau genug ist, kann sich vor der Zahlung drücken. Und muss Aufgrund von überlasteten Personal um nichts fürchten.
Antworten
6. Ist das der Grund für das übergroße Entgegenkommen der Familiengerichte gegenüber zahlungsbereiten Vätern, die mit ihrem Geld dann nach der Trennung das Leben der Mütter dominieren dürfen? Mit der alleinigen Bestimmung des Aufenthaltes des Kindes der Mutter etwa die Umzug in eine andere Stadt mit besserem Job verbieten. Also wie so oft eine gute Absicht, die nicht zuende gedacht wurde.
Antworten
5. Aus der eigenen Familie : Der Vater zahlt nicht, auch nicht schlimm, wir haben wichtigeres zu tun als das bißchen Geld einzutreiben.
Antworten
4. Die Düsseldorfer Tabelle ist unreal und übersteigt oftmals die Zahlungspfichtigen. Dadurch nutzen viele Zahlungspflichtige die Möglichkeiten des Staates, die Zahlungen zu umgehen und wandern in die Arbeitslosigkeit ab und nehmen die gebebenenfinanziellen Zuschüsse in Anspruch. Bei einem Selbstbehalt der zahlungspflichtigen Väter oder Mütter von mind. 1200 € monatlich bleibt so für die Kinder nichts übrig.
Antworten
3. Es handelt sich ja „nur“ um unsere Steuergelder. Solche hoheitlichen Aufgaben sollten doch von Staatswegen vorrangig durchgesetzt werden. Sonst sollte man eben die Außenstände an Klarna/XY-Inkasso verkaufen. Ärzte machen das ja auch konsequent!
Antworten
2. Die Situation ist seit Jahren unverändert. Eine Möglichkeit besteht doch, wenn man diese Forderungen von einem professionellen forderungsmanagement bearbeiten. Natürlich keine dubiosen Geldeintreiber. Für diese Bearbeitung erhält der offizielle Bearbeiter ein prozentuales Erfolgshonorar.
Antworten
1. In Amerika läuft das drastisch anders bei Unterhaltsschulden inkl Knast. Hier lässt man sich sehenden Auges vorführen
Antworten
Kommentartexte aufklappen