Der Anteil der Beamten an der Gesamtzahl der Staatsbediensteten in Deutschland sinkt. Das liegt aber nicht an einem Abbau von Beamtenstellen. Vielmehr hat der Staat insgesamt kräftig Personal aufgebaut. Da in noch größerem Ausmaß Tarifangestellte neu hinzukamen, nahm der Beamtenanteil ab. Das verdeutlicht eine neue Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für den Zeitraum 2012 bis 2022. Zugleich zeigt sich, dass Bund und Länder dabei besonders viele neue Stellen im Aufgabenfeld „Politische Führung und zentrale Verwaltung“ geschaffen haben. Die Studie liegt der F.A.Z. vorab vor.
Der Beamtenanteil in den Ländern ist der Analyse zufolge in den zehn Jahren um 4,6 Prozentpunkte auf 53,5 Prozent gesunken. Unter den Bundesbediensteten fiel er hingegen nur leicht um 0,5 Prozentpunkte auf 71,3 Prozent.
Die Niveauunterschiede erklären sich vor allem durch unterschiedliche Aufgaben: Der größte Personalbereich des Bundes, der naturgemäß ganz überwiegend Besoldungsempfänger hat, ist die Bundeswehr. Die Länder haben mit der Polizei zwar auch einen großen Bereich mit vielen Beamten. Sie haben aber auch umfangreiche Verwaltungen – nicht zuletzt solche, die sich um die Ausführung von Bundesgesetzen kümmern.
Angestellte sind erst einmal teurer
Wie IW-Forscher Björn Kauder mit der Auswertung amtlicher Daten zeigt, ist die Zahl der Bundesbeamten in den zehn Jahren um gut 3 Prozent auf 361.000 gestiegen. Da aber die Zahl der Tarifbeschäftigten um 5 Prozent auf 145.000 stieg, nahm der Beamtenanteil leicht ab. In den 16 Ländern lief es so: Die Zahl ihrer Beamten stieg um 3,4 Prozent auf 1,22 Millionen, also so stark wie beim Bund. Aber zugleich wuchs die Zahl der Angestellten im Landesdienst um mehr als 20 Prozent auf 1,06 Millionen.
Große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es im Bereich der Schulen, wie die Analyse zeigt. In den meisten Ländern sind verbeamtete Lehrer seit jeher der Normalfall. Einige aber, allen voran Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, haben sich hier lange bemüht, auf Verbeamtungen zu verzichten. Fiskalisch ist das insofern anspruchsvoll, als Angestellte erst einmal teurer sind: Der Arbeitgeber zahlt sofort Rentenbeiträge, die Pensionszahlungen fallen dagegen erst später an. Neben leeren Kassen brachte diese Länder aber auch der starke Wettstreit um knappe Lehrkräfte dazu, doch wieder mit dem Beamtenstatus zu werben.
Den niedrigsten Beamtenanteil an seinen Schulen hatte der Studie zufolge zuletzt Berlin mit nur 30 Prozent. Die dortige „Verbeamtungspause“ wurde erst vor Kurzem beendet und hat sich noch kaum auf den Personalbestand ausgewirkt. Auch die anderen Länder, die einst ganz auf Angestellte setzten, kommen an den Schulen auf Beamtenanteile von höchstens 40 Prozent. Sie waren aber schon früher umgeschwenkt. In Baden-Württemberg, in Niedersachsen und im Saarland sind dagegen mehr als 90 Prozent der Lehrer Beamte.
Weniger komplexe Gesetze bitte
Erstaunliche Trends gibt es aber auch im Aufgabenbereich, den die Statistik als „Politische Führung und zentrale Verwaltung“ zusammenfasst. Zunächst lässt sich feststellen, dass dort die Beamtenanteile in den Südländern viel höher sind als im Norden. Baden-Württemberg und Bayern kommen auf 55 bis 60 Prozent. Dagegen hatten Schleswig-Holstein und Hamburg weniger als 30 Prozent Beamte.
Vor allem aber gab es in diesem Aufgabenbereich in den vergangenen zehn Jahren den prozentual stärksten Personalaufbau. Insgesamt hatten die 16 Bundesländer dort zuletzt 148.000 Beamte und Angestellte, fast ein Viertel mehr als 2012. Im selben Zeitraum stieg der Personalstand der Länder im Bereich Bildung und Kultur um gut 11 Prozent auf 1,33 Millionen Bedienstete. Derweil wuchsen Polizei und Sicherheitsbehörden um gut 10 Prozent auf 298.000 Beschäftigte.
Noch stärker sticht der Bereich „Politische Führung und zentrale Verwaltung“ aber auf Bundesebene heraus. Dort blieb zwar der Beamtenanteil mit 56 Prozent konstant. Aber die Gesamtzahl der Beschäftigten stieg um fast ein Drittel auf 42.000, wie die Untersuchung zeigt. Der insgesamt eher moderate Personalaufbau um insgesamt rund 18.000 Bundesbedienstete in den Jahren 2012 bis 2022 geht damit zu mehr als der Hälfte auf Ministerien und Bundesbehörden zurück.
Das arbeitgebernahe IW sieht den Aufbau vor allem insofern kritisch, als er im Schlepptau einer noch stärkeren Ausweitung staatlicher Aufgaben erfolgt sei. „Die Politik hat im Regulierungseifer die sich ergebenden Belastungen für das öffentliche Personal nicht mitgedacht, sodass die immer weiter zunehmenden Aufgaben mitunter nicht durch einen entsprechenden Personalaufwuchs unterfüttert wurden“, schreibt Kauder.
Sein Plädoyer: In erster Linie solle der Personalbedarf verringert werden, „indem die Politik die Gesetzgebung weniger komplex gestaltet und die Effizienz erhöht“. Andernfalls werde dem Staat wohl nur der Ausweg bleiben, im Wettstreit mit der Wirtschaft um knappes Personal noch stärker auf Verbeamtungen als Lockmittel zu setzen.